Der Body Reset: Mein persönlicher Blick auf Versuchungen, Herausforderungen und Hoffnungen

In 10 Tagen beginnt der nächste große Body Reset von nobodytoldme, und diesmal bin ich dabei. Drei Wochen lang werde ich peu à peu auf bestimmte Lebensmittelgruppen verzichten – nach dem Schema “Ich packe meinen Koffer und nehme mit…”, nur eben als “Ich leere meinen Kühlschrank und lasse weg…”. Erst fallen Alkohol und rotes Fleisch weg, und dann geht’s richtig rund. 

Und an dieser Stelle brechen gefühlt alle, die mich näher kennen, in ein kollektives Stirnrunzeln und Augenrollen aus. Ich kann das ehrlich gesagt verstehen. Denn hinter mir liegen 48 Jahre, in denen ich jedem, der es hören wollte (oder nicht) immer wieder erzählt habe, was ich von Ernährungskonzepten halte, ob sie sich jetzt Diät nennen oder nicht. 

Hier kommen einige der Gründe, warum man mich eigentlich lange suchen können sollte auf der Teilnehmerliste einer Veranstaltung, die mir – wenn auch nur vorübergehend – Spaghettieis, Pho mit Schweinebauch und Linguine wegnehmen will.

1. Selbst der kleinsten Versuchung kann ich überhaupt nicht widerstehen. Es kommt zwar immer wieder vor, dass ich mich in einen inneren Zustand tricksen kann, in dem ich auf eine “verbotene” Substanz wirklich und ernsthaft keinen Bock mehr habe und durchs Leben schwebe im Rausch meiner eigenen Unabhängigkeit vom ewigen Gedrängel meiner Bedürfnisse. Meine Lieblings-Kochbuch-Autorin nennt das “Temple Mood”, und es hält bei mir selten mehr als 24 Stunden an. Früher hätte ich gesagt: ich kann wunderbar ohne Alkohol sein, so lange ich nichts trinken will. Außenstehende halten das manchmal für Willensstärke. Ist es aber nicht: in dem Moment, in dem auch nur eine Hirnzelle Bock auf eine Tafel Schokolade mit Nusssplittern hat, bin ich verloren. Über Wochen auf immer mehr Dinge zu verzichten, die ich erklärtermaßen zum Glücklichsein brauche, erscheint daher als ziemliche Schnapsidee. Das werde ich nicht schaffen. Es sei denn, eine Lobotomie ist inbegriffen. 

2. Mein Versuchsaufbau ist wirklich, wirklich schlecht kompatibel. Ich hab drei kleine Kinder und einen gefräßigen Mann. Das lässt sich umrechnen in viele, viele Wurst- und Käsebrote, Müslis, Kuchenstücke, Joghurts, Pastateller, Quiches, Würstchen, Bratkartoffeln, Frikadellen und Waffeln, die ich in den drei Wochen planen, zubereiten, riechen, auf Teller legen, über den Küchentresen reichen – und dabei keinen Krümel davon selbst essen werde. 

3. Ich bin inzwischen zu schlau-doof für Diäten. (Ich weiß, das wird keine Diät, keine Diät, wirklich keine Diät, es geht um Energie und Darmbakterien und so  – aber es wird Momente geben, in denen ich Schokolade will und nicht darf, also ist es in meiner Welt irgendwie doch eine Diät. Auch wenn Abnehmen hier nicht an oberster Stelle der Prioritätenliste steht.) Trotz aller Skepsis hab ich nämlich schon Einiges von Weight Watchers über Schlank im Schlaf bis Glyx und 5:2 mal für fünf Minuten probiert. Abgenommen habe ich dabei nicht, aber ich habe mir einen Schatz an Hacks, Weisheiten und “Theoretisch müsste es doch funktionieren, wenn ich…”-Schwurbelregeln angeeignet, die ich jetzt leider nicht mehr aus meinem Hirn löschen kann. Zusammen macht mich all dieses Halbwissen zu einem kompletten Ernährungstrottel. Ich kann nämlich aus meiner persönlichen Enzyklopädie immer genau die Regel zaubern, die mir erlaubt, das zu essen, was da gerade so verlockend vor mir liegt. Drei Stück Kuchen? Klar, denn mit meinem mustergültigen Verhalten letzte Woche habe ich mir wohl ein paar Cheat Points verdient. Spareribs? Kein Problem, ess ich eben einfach erst morgen ab 14 Uhr wieder was. Spareribs dann doch zum Frühstück am nächsten Tag? Klar, wenig Kohlenhydrate! Ein halbes Brot? Du, gerne, denn Alex (mein Mann) überlegt ja neuerdings, sich ein Peloton zu kaufen, dann ist das alles kein Problem mehr, Sport ist eh mein Weg, sagen alle. Ich hab schon so oft gelesen, dass in solchen Fällen der Bauch der Böse ist und das arme Hirn vergeblich versucht, Vernunft ins Spiel zu bringen, aber bei mir ist es umgekehrt. Selbst wenn der Bauch längst Bedenken hat, verdirbt mein Hirn einfach alles. Hach, wenn es doch nur einen Weg gäbe, dieses geballte Quatschwissen wieder loszuwerden – z.B. eine Art Mini-Seminar mit Leuten, die einerseits genau so gerne essen wie ich, aber andererseits wissen, wie welche Nahrungsmittel sich im Körper auswirken!

4. Meine Sympathien gehören schon immer klar dem Team der Leute, die Weißmehl, Zucker und rotes Fleisch essen. Das Trikot ist meins und wird es vermutlich auch immer sein. Und jetzt zeige ich Anzeichen, eine von denen zu werden! Nicht, dass mich jemand dabei sieht! Denke ich mir und schreibe erst mal einen Blogpost. 

5. Ich bin so ziemlich die einzige Frau in meiner näheren Umgebung, die noch nicht mal eine leichte Essstörung hat. Wirklich gar keine. Ich hab da einfach bisher Glück gehabt, und das darf gerne so bleiben. Und etwas in mir denkt manchmal, dass für mich – nur für mich, nicht für Euch – die Suche nach gesünderen, Schadstoff-ärmeren, saubereren und rundum okayeren Lebensmitteln einer von vielen Wegen ist, sich doch klammheimlich so eine Störung zuzulegen. Das hat damit zu tun, Essen mit Schuld zu verknüpfen und mit Trotz und mit Kontrollgefühl und sicher auch damit, dass es in meinem Gehirn viele kleine Hintertreppen und Geheimgänge gibt, von deren Existenz ich zwar eine Ahnung habe, aber die so richtig auf keiner Karte verzeichnet sind. Nur so ein Gefühl – aber ein sehr hartnäckiges Gefühl. Ich muss das im Auge behalten, und das werde ich auch. 

Das sind nur einige Gründe – hätte ich jetzt eine Stunde länger Zeit, würden mir noch viel mehr einfallen, und zusammen haben sie dafür gesorgt, dass ich bei den bisherigen Resets nicht dabei war. Aber das war damals und heute ist heute. Ich denke nämlich immer häufiger über eine Sache nach, eine ganz einfache, die mich aber trotzdem gerade in ihrer Schlichtheit überzeugt: 

Also. Ich esse gerne Lakritze. Lakritze in jeder Form. Irgendwann habe ich aber festgestellt, dass ich nach dem Genuss von Lakritze fürchterlich pupsen muss. Also esse ich jetzt keine Lakritze mehr, außer ich will wirklich unbedingt – dann aber weiß ich, was als nächstes passiert, und nehme das in Kauf. 

Dieser Lakritzverzicht hat für mich weder gefühlt noch gedacht etwas zu tun mit dem großen und ernstzunehmenden Komplex “Diäten als frauenfeindlicher Riesenselbstbeschiss”, allgemeiner Tugendboldigkeit oder Spaßfeindlichkeit. Ich finde mich ohne Lakritze genau so nett oder doof wie ohne, nur riecht es eben ohne etwas besser um mich herum, und die Hose kneift nicht so gemein. So einfach kann es sein: Ursache und Wirkung, ein klarer Zusammenhang und daraus abgeleitet eine einfache Entscheidung, die ich immer wieder neu treffen kann. 

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Was lerne ich daraus für den Body Reset? 

Es könnte richtig gut werden. Ich könnte einiges dazu erfahren, was genau in meinem Weißmehl-verwöhnten Körper passiert, wenn ich dies oder das oben reintue oder nicht. Zu der kühnen These, Ernährung könnte einen Einfluss darauf haben, dass ich mich jetzt seit Jahren fast durchgängig müde, überdreht, verquollen und latent unbehaglich fühle. Ich könnte etwas lernen. Und dann entscheiden, aus welchen meiner Erkenntnisse ich etwas mache – und wenn ja, dann was. Vielleicht wird es auch einfach nur anstrengend und frustrierend. Sollte das so sein, kann ich mich damit trösten, dass es ja nur drei Wochen sind. Niemand erwartet von mir, meine Weihnachtskekse dieses Jahr mit Dattelsüße und Kichererbsenmehl zu backen, am wenigsten ich. Lernen von der Lakritzschnecke! 

Ok. Ich freu mich drauf, am liebsten würde ich nächste Woche anfangen und bin positiv überrascht, dass ich bisher noch keine innere Bucket List mit Schweinkram habe, den ich unbedingt noch essen muss, bevor der Hammer fällt. 

Wie also genau soll das laufen? Ich mache den Body Reset Kurs mit wie jede andere Teilnehmerin auch. Nur, dass ich hier immer wieder darüber bloggen werde, wie es mir damit ergeht. Ich werde – fest versprochen – natürlich nichts über die Dinge schreiben, die andere Teilnehmerinnen in den Zoom Calls erzählen. Eure Erfahrung ist Eure und gehört nur Euch, nicht mir. Dabei handelt es sich, so weit ich das einschätzen kann, erst mal nicht um Werbung, eher um eine Art Live-Testbericht. Das heißt, sollte ich das Experiment nach fünf Tagen entnervt beenden, dann werdet ihr das hier lesen. Und obwohl schreiben mein Job ist, mache ich das hier nicht gegen Bezahlung (abgesehen von der Teilnahmegebühr für den Kurs), sondern zum Spaß. Spaß! Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ich das mal als Spaß bezeichne, auf Rippchen und französischen Käse zu verzichten?

Und ist das nicht komisch, dass Verzicht sich anfühlen kann wie extravaganter Exzess? Sobald ich heute Feierabend habe, laufe ich los und kaufe eine Riesenladung Bohnen.

Foto von Jana Sabeth bei Unsplash