Neulich wurde ich von einer Teilnehmerin des Body Reset SOLO Kurses gefragt, ob das Essen von Phytoöstrogenen aus Leinsamen Blasenschwäche verursachen kann. Die Teilnehmerin hatte beobachtet, dass sie unter dem Body Reset mehr Harn verliert als sonst.  

Grundsätzlich würde ich mich bei Themen wie Harndrang, Inkontinenz, häufigen Blasenentzündungen immer an eine Urologin oder an eine Urogynäkologin wenden. Deine Gynäkologin kann dir bei Indikation eine Überweisung schreiben. Diese wird zunächst auch eruieren, ob es sich um eine Drang- oder Stressinkontinenz handelt und die ganze Vorgeschichte abfragen.

Insofern ersetzt dieser Artikel auch nicht den Rat eines Arztes oder einer Ärztin.  

PHYTOÖSTROGENE RUFEN KEINE BLASENSCHWÄCHE HERVOR

zu den Phytoöstrogenen:

Phytoöstrogene sind in allen pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Die mit großem Abstand höchsten Gehalte haben jedoch Leinsamen (Lignane), Sesam (Lignane) und Sojabohnen (Isoflavone). Die Phytoöstrogene werden erst von unseren Darmbakterien in ihre aktive Form umgewandelt. Eine Voraussetzung dafür ist, dass wir ein vielfältiges Mikrobiom haben, welches die dafür notwendigen Bakterien auch enthält. Da die Lignane (aus Leinsamen und Sesam) direkt unter der Schale sitzen, müssen die Saaten sehr gut gekaut werden, weil ansonsten nichts im Körper davon ankommt.

Isoflavone (in Sojabohnen enthalten) werden im Darm zu Metaboliten wie Equol (aus Daidzein) und p-Ethylphenol (aus Genistein) umgewandelt, wobei Equol besonders östrogenähnliche Wirkungen hat.

Lignane werden zu Enterodiol und Enterolacton umgewandelt, wobei beide Substanzen als schwache Phytoöstrogene fungieren.

Hierzu muss ich aber ergänzen, dass Phytoöstrogene sowohl östrogen als auch antiöstrogen wirken können.

östrogene Wirkung
Bei niedrigen körpereigenen Östrogenspiegeln, wie sie beispielsweise nach der Menopause auftreten, können Phytoöstrogene eine östrogene Wirkung haben. In dieser Situation können sie die Östrogenrezeptoren aktivieren, da sie an diese binden und eine ähnliche, wenn auch schwächere, Wirkung wie körpereigenes Östrogen entfalten.

antiöstrogene Wirkung
Bei hohen Östrogenspiegeln, wie sie bei prä- und teilweise auch bei perimenopausalen Frauen vorkommen, können Phytoöstrogene antiöstrogene Wirkungen zeigen. Sie konkurrieren mit körpereigenem Östrogen um die Bindung an die Östrogenrezeptoren und können aufgrund ihrer geringeren Potenz die Gesamtauswirkung des Östrogens reduzieren, indem sie die Wirkung des körpereigenen Östrogens abschwächen.

Es gibt zudem noch gewebespezifische Unterschiede:

Brustgewebe:
In Brustgeweben können Phytoöstrogene eine antiöstrogene Wirkung haben, indem sie die Wirkung des stärkeren körpereigenen Östrogens blockieren. Studien haben gezeigt, dass sie möglicherweise das Wachstum östrogenabhängiger Brustkrebszellen hemmen, indem sie die Rezeptoren besetzen und die Signalübertragung reduzieren.

Knochengewebe:
In Knochengeweben haben Phytoöstrogene tendenziell eine östrogene Wirkung, indem sie helfen, den Knochenabbau zu verhindern, der durch Östrogenmangel (z. B. nach der Menopause) verursacht wird. Sie können die Knochenmineraldichte verbessern und das Risiko von Osteoporose senken.

Gebärmutterschleimhaut:
Die Wirkung von Phytoöstrogenen auf die Gebärmutterschleimhaut kann sowohl östrogen als auch antiöstrogen sein, je nach Hormonstatus der Frau. Bei postmenopausalen Frauen können Phytoöstrogene eine milde östrogene Wirkung haben, die sich in einer Verdickung der Gebärmutterschleimhaut äußern könnte. Bei prämenopausalen Frauen ist die Wirkung oft antiöstrogen, da Phytoöstrogene die Wirkung des körpereigenen Östrogens abschwächen können.

Zudem muss man wissen, dass Phytoöstrogene um das Hundert- bis Tausendfache geringer wirken im Vergleich zu körpereigenem Östrogen. Und je nach Zusammensetzung des Mikrobioms kann die Bioverfügbarkeit der Phytoöstrogene ganz unterschiedlich sein.

Nach diesem Kenntnisstand ist es unwahrscheinlich, dass Phytoöstrogene eine Blasenschwäche hervorrufen können.

Den möglichen Einfluss von Nahrungsmitteln auf Blasenschwäche lege ich im folgenden dar:

OXALATE KÖNNEN DIE BLASE IRRITIEREN

Es gibt tatsächlich Lebensmittel bzw. Stoffe in Lebensmitteln, die eine Blasenschwäche fördern können. Dazu hatte ich Dr. Christina Enzmann befragt.

Sie schreibt: „Oxalate können typischerweise Blasenirritation bis hin zum schmerzhaften Blasensyndrom verursachen. Das wird alles schlimmer, wenn man ein gestörtes Darmmikrobiom hat.“

Oxalate, die in einer Vielzahl von Lebensmitteln vorkommen, können bei manchen Menschen Harndrang und Blasenirritationen auslösen. Hier sind mögliche Zusammenhänge:

1.⁠ ⁠Kristallbildung und Reizung:
Oxalate können im Urin mit Kalziumionen Kristalle bilden. Diese winzigen Kristalle können die Harnwege und die Schleimhäute der Blase reizen und entzündliche Reaktionen hervorrufen, was zu einem gesteigerten Harndrang und einem brennenden Gefühl beim Wasserlassen führen kann.

2.⁠ ⁠Verstärkung von Blasensymptomen:
Menschen, die bereits an Blasenproblemen wie interstitieller Zystitis (chronische Blasenerkrankung, die durch Schmerzen und Druckempfindlichkeit in der Blase gekennzeichnet ist) leiden, berichten oft, dass der Verzehr oxalatreicher Lebensmittel ihre Symptome verschlimmert. Oxalate könnten diese Symptome durch Reizung der Blasenwand verstärken.

Die erhöhte Empfindlichkeit der Blase durch Oxalate kann dazu führen, dass schon geringe Mengen Urin den Harndrang auslösen, was zu häufigeren Toilettengängen führt.

3.⁠ ⁠Einfluss auf den pH-Wert des Urins:
Oxalatreiche Lebensmittel können den pH-Wert des Urins beeinflussen und ihn saurer machen. Ein saurer Urin kann die Blasenschleimhaut reizen und zu häufigem Harndrang und Blasenbeschwerden führen.

4.⁠ ⁠Individuelle Empfindlichkeiten:
Einige Menschen haben eine genetische Veranlagung, mehr Oxalate aus der Nahrung zu absorbieren, was zu einer höheren Konzentration von Oxalaten im Urin führt. Diese erhöhte Konzentration kann das Risiko von Blasenirritationen und Nierensteinen erhöhen.

Menschen mit einer empfindlichen Blase oder einer Vorgeschichte von Blasenreizungen können auf Oxalate empfindlicher reagieren als andere, was zu verstärktem Harndrang und Unwohlsein führt.

5.⁠ ⁠Wasserkonsum und Oxalatkonzentration:
Viel trinken kann helfen, die Konzentration von Oxalaten im Urin zu verdünnen, was das Risiko der Kristallbildung und der Reizung verringert. Ein Mangel an Flüssigkeitszufuhr kann hingegen die Konzentration von Oxalaten im Urin erhöhen und die Symptome verschlimmern.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Oxalate bei empfindlichen Personen Blasenreizungen und vermehrten Harndrang verursachen können. Was kann man tun?

1.⁠ ⁠Essen von oxalatreichen Lebensmitteln reduzieren


2.⁠ ⁠⁠gleichzeitig auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten


3.⁠ ⁠⁠Beobachten, ob sich dadurch die Beschwerden verbessern.


4.⁠ ⁠⁠Wenn sie sich nicht verbessern bitte eine Ärztin s.o. aufsuchen

 

Diese Lebensmittel sind reich an Oxalaten (pro 100 g):

•⁠ ⁠Spinat – 970 mg
•⁠ ⁠⁠Rhabarber – 860 mg
•⁠ ⁠⁠Mangold – 645 mg
•⁠ ⁠⁠Rote Beete Blätter – 610 mg
•⁠ ⁠⁠Rote Bete Knolle: – 675 mg
•⁠ ⁠⁠Sauerampfer – 600 mg
•⁠ ⁠⁠Schwarzer Pfeffer – 460 mg
•⁠ ⁠⁠Petersilie (frisch) – 170 mg
•⁠ ⁠⁠Amaranth (Körner) – 600 mg
•⁠ ⁠⁠Mandeln – 469 mg
•⁠ ⁠⁠Schokolade (dunkel) – 117 mg
•⁠ ⁠⁠⁠Leinsamen – 81 mg

Die oben beschriebene Blasenschwäche kann durchaus auch durch das Essen des Leinsamens in Verbindung mit anderen oxalatreichen Gemüsen getriggert worden sein. Und so war es wahrscheinlich auch, denn die Teilnehmerin berichtete, dass sie neben den Leinsamen auch die Blätter von Rote Bete gegessen hatte.

 

 

Was bedeutet das auf lange Sicht?

Dr. Enzmann arbeitet als funktionelle Medizinerin mit betroffenen Patientinnen daran, das Mikrobiom wieder in die Balance zu bringen. Denn ein dauerhafter Verzicht auf an sich gesunde Lebensmittel wäre sehr einschränkend.

Noch ergänzend:
Eine systemische Hormonersatztherapie ist mit sich verschlimmernder Stressinkontinenz assoziiert, während sich die Dranginkontinenz unter einer HRT verbessert.

Es gibt also sehr viele Einflussfaktoren, die bei der Diagnose berücksichtigt werden müssen.