Von null auf 180 ohne ersichtlichen Grund: Stimmungsschwankungen gehören zu den häufigsten und belastendsten Symptomen der Wechseljahre. Oft beginnen sie schon in der frühen Phase der hormonellen Umstellung – in der Perimenopause, wenn die Periodenblutung noch mehr oder weniger regelmäßig kommt. Viele Frauen merken bereits mit Ende 30, Anfang 40, dass sie weniger stressbelastbar sind als früher und schneller austicken. Manchmal macht sich auch eine ungewohnte Ängstlichkeit oder Traurigkeit breit. Offensichtlich bringen die Wechseljahre das Gefühlsleben ordentlich durcheinander. Warum ist das so?
Progesteron sorgt für Ausgeglichenheit
Lange bevor sich Zyklusunregelmäßigkeiten oder gar Hitzewallungen bemerkbar machen, beginnt der Progesteronspiegel allmählich zu sinken. Das Hormon, das nach dem Eisprung vom Gelbkörper im Eierstock produziert wird, ist ein wichtiger „Stimmungsmacher“ im weiblichen Körper: Es wirkt ausgleichend und erregungsmildernd, hemmt Angst- und Stressreaktionen, fördert die Entspannung und erholsamen Schlaf. Kein Wunder also, dass wir in der Perimenopause emotional labiler werden.
Oft macht sich das besonders vor der Menstruation bemerkbar: PMS, das prämenstruelle Syndrom, kann sich verstärken oder auch neu auftreten. Gerade an diesen Tagen könnten viele Frauen wegen Kleinigkeiten aus der Haut fahren, sind reizbar und schlecht gelaunt.
Auch das wichtigste weibliche Sexualhormon, das Östrogen, beeinflusst die Psyche. Es verstärkt aktivierende Neurotransmitter wie Serotonin und sorgt so für positive Stimmung. Wenn die Östrogenproduktion in den Wechseljahren stark schwankt, verändert das also auch die Gemütslage: Auf „himmelhochjauchzend“ kann dann schnell „zu Tode betrübt“ folgen.
Schlechter Schlaf macht reizbar
Zu den direkten Folgen der Hormonveränderungen auf die Stimmung kommen die indirekten. In den Wechseljahren leiden viele Frauen an massiven Ein- und Durchschlafstörungen. Die chronische Müdigkeit macht ebenfalls dünnhäutig, schlecht gelaunt und stressanfällig. Und natürlich belasten auch andere Symptome wie Hitzewallungen, Erschöpfung, Brain Fog oder Gelenkschmerzen die Psyche. Da kann einen schon mal die Wut packen, wenn alles zu viel wird.
Sinkende Östrogen- und Progesteronspiegel sorgen darüber hinaus dafür, dass die Nebennieren bei Stress mehr Cortisol ausschütten. Das verringert die psychische Belastbarkeit und verstärkt Unruhe und Reizbarkeit.
Alles im Wandel
Die Wechseljahre markieren nicht nur eine hormonelle Umstellungsphase, sondern auf mehrerlei Ebenen den Beginn eines neuen Lebensabschnitts: Die Fruchtbarkeit neigt sich unwiderruflich dem Ende zu, Kinder werden erwachsen und gehen aus dem Haus, die Partnerschaft muss neu definiert werden. Vieles von dem, was den Alltag über Jahre und Jahrzehnte geprägt hat, verändert sich. Dazu kommt die Auseinandersetzung mit dem Älterwerden. Viele Frauen stürzt das in eine regelrechte Identitätskrise. Hohe Anforderungen im Beruf oder pflegebedürftige Eltern verstärken den Stress. Klar, dass all das zu innerer Aufruhr führt, die sich gelegentlich unangemessen entlädt. Und: Der sinkende Östrogenspiegel lässt Frauen die – manchmal lange vernachlässigten – eigenen Bedürfnisse klarer erkennen. Wut kann auch ein Zeichen dafür sein, dass die oft übergangen werden.
So kommt die Seelenruhe zurück
- Sport und Bewegung: Auspowern baut Stress ab. Gut eignen sich insbesondere Ausdauersportarten wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren. Aber auch ein flotter Spaziergang an der frischen Luft macht ausgeglichener und hebt die Stimmung.
- Ernährung: Das Darmmikrobiom hat nachweislich Einfluss auf die Stimmung. Steuern lässt es sich beispielsweise durch eine gesunde, ballaststoffreiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse. Auch Probiotika oder Omega-3-Fettsäuren sollen die Darmflora verbessern. Eine gute Vitamin- und Mineralstoffversorgung trägt ebenfalls entscheidend zum seelischen Wohlbefinden bei. Wichtige Mikronährstoffe für die Psyche sind unter anderem Vitamin D, die B-Vitamine und Magnesium.
- Stressmanagement: Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson senken das Stressniveau. Eine weitere Stellschraube: die persönlichen Belastungsfaktoren identifizieren und reduzieren – zum Beispiel, indem man sich Hilfe holt oder einen neuen, erfüllenden Job sucht.
- Selbstfürsorge: Der Hormonumschwung in den Wechseljahren öffnet die Tür für eine innere Einkehr: Was tut mir gut? Wovon will ich mich trennen? Was ist mir wichtig im Leben, wofür will ich meine Kräfte einsetzen – und wofür nicht (mehr)? Das A und O ist, die eigenen Grenzen zu erkennen und dafür zu sorgen, dass sie eingehalten werden (von anderen ebenso wie von einem selbst).
- Pflanzliche Helfer: Johanniskraut wirkt stimmungsaufhellend. Baldrian, Hopfen, Melisse und Passionsblumenkraut sind für ihre beruhigende Wirkung bekannt. Lavendel (auch als Duftöl) kann zusätzlich bei Angstzuständen helfen. Auch Rosenwurz soll Stressempfinden lindern und die Stimmung verbessern. Ashwagandha gilt in der ayurvedischen Medizin als Adaptogen, das die Widerstandskraft gegen Stress erhöhen soll.
- Hormontherapie: Frauen, die zusätzlich an Hitzewallungen und anderen Wechseljahresbeschwerden leiden, können von einer bioidentischen Hormon(ersatz-)therapie profitieren. Es gibt Hinweise, dass diese auch Stimmungsschwankungen und depressive Beschwerden lindern kann.
Clara Wildenrath von WECHSELleben.de