Zehn Jahre ist es her, da lief im ZDF die Fernsehserie „Klimawechsel” von Doris Dörrie. Es war eine mutige und witzige Abrechnung mit den Wechseljahresproblemen. Dass das, was da gezeigt wurde, meine nahe Zukunft sein könnte, darüber dachte ich nicht einmal nach. Die Frauen in dieser Serie nahmen rasant zu, hatten nächtliche Schweißausbrüche, in denen der Partner fast ertrank, experimentierten mit Olivenöl als Gleitmittel, flüchteten sich ins Spirituelle, nahmen heimlich Liebhaber, ließen sich Botox spritzen und dachten über eine Vaginalverjüngung nach. Sie taten all dies aus Angst vor dem, was da plötzlich mit ihnen passierte – schlechter Schlaf, schlechte Laune, schlechter Sex –  und noch viel mehr aus Angst vor dem, was nun zu gehen schien: Fruchtbarkeit, gesehen werden, gebraucht und geliebt zu werden. 

 „Wenn man wissenschaftlich darangeht, dann haben nur etwa 33 Prozent aller Frauen große Probleme, 33 Prozent mittlere und ein Drittel gar keine”, sagte Doris Dörrie damals in einem Interview zu mir. „Sie könnten also Glück haben.“ 

Ich hatte kein Glück. Obwohl ich immer gedacht hatte, mir kann das nicht passieren, wie so viele andere auch in meiner Altersgruppe. Wir sind die Babyboomer, viele von uns sind berufstätig, hetzen durch ein Leben zwischen Job, Haushalt und Kind und hieß es nicht immer wieder in Artikeln, dass die heftigsten Beschwerden vorrangig Hausfrauen ereilen, jene also, die vermeintlich zu viel Ruhe haben, um intensiv in sich hineinzuhorchen?

Meine Beschwerden begannen schleichend, als ich noch meine Periode hatte. Heute weiß ich, dass ich mich in der sogenannten Perimenopause befand, der Zeit vor dem wirklich allerletzten Eisprung. Plötzlich zog ab und zu nachts eine Hitze über mich, die ich lange noch auf das zu dicke Federbett zu schieben versuchte. Ich schlief nicht mehr durch, manchmal tat mein Herz Sprünge wie ein Feldhase auf der Flucht, ich machte Atemübungen, bügelte, schaute Netflix – und schlief trotzdem nicht wieder ein. Dann kamen die Anfälle auch tagsüber. Sie krochen über das Dekolleté nach oben, die Haare klebten plötzlich in Redaktionssitzungen am Kopf, und mit der Hitze kam auch eine depressive Stimmung, die mich exakt so lange flutete, bis die Hitze wieder verschwand.

Dekolleté einer Frau mit Schweißperlen, die einen BH mit Spitze trägt

 

Ich hatte monatelange Phasen, in denen nichts davon passierte, dann plötzlich wieder Wochen, in denen ich mich mindestens sechsmal am Tag und in der Nacht in Schweiß und großer Melancholie auflöste. Ich versuchte, meine Ernährung nach ayurvedischen Prinzipien umzustellen, aß alles, was das Feuer in mir dimmen sollte. Melonen, Gurke, Koriander, Kreuzkümmel, Zimt. Aber nichts half. 

Das alles passiert bei den meisten in einer Zeit, in der die Kinder gerade das Haus verlassen, oder schlimmer noch, selbst in der Pubertät sind, die Eltern hilfsbedürftiger werden, die Chefs immer noch zu viele Männer sind und jetzt auf einmal auch noch halb so alt wie man selbst. Freunde bekommen unheilbare Krankheiten, auch das schien alles plötzlich eine endlose Abfolge von Abschieden zu sein.

In die Wechseljahre zu kommen, ist so als wenn man in einen Verein eintritt, den man sich nicht selbst ausgesucht hat. Erste Veränderungen des Hormonhaushaltes fangen meist schon zwischen 38 und 44 an, sind aber oft eher unauffällig. Der Zyklus verändert sich zum Beispiel leicht, manchmal kommen auch schon leichte Schlafprobleme hinzu. Die Symptome nehmen zu, Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, trockene Scheide, Haarausfall, Gewichtszunehme und vieles mehr, was wir im Newsletter zum Thema Körper ausführen werden, sind alle Zeichen dafür: die Umbauarbeiten haben begonnen. Wir befinden uns in der Perimenopause, denn Wechseljahre beginnen nicht erst, wenn die Periode ausbleibt.  Diese Phase kann bis zu zehn Jahre dauern, Im Schnitt dauern die Beschwerden 7,4 Jahre, davon 4,5 nach der Menopause. 

Die Menopause dauert streng genommen nur einen Tag, den Tag der allerletzten Blutung. Die letzte Blutung kann völlig unauffällig sein, sie kommt nicht unbedingt mit großartiger Ankündigung daher. Im Schnitt sind Frauen 51-52 Jahre alt, wenn sie zum letzten Mal ihre Periode haben. Eine von 100 Frauen ist aber jünger als 40 und eine von 1000 sogar jünger als 30. Die Menopause markiert den Übergang von der Perimenopause in die darauffolgende Postmenopause. Die Postmenopause dauert dann für den Rest des Lebens einer Frau an. In der Postmenopause sind die beiden Hormone Östrogen und Progesteron dauerhaft niedrig und toben nicht mehr wild rauf und runter.

Die Mutter einer Freundin nannte die Wechseljahre „mein schlimmstes Jahrzehnt”. Mehr sagte sie nicht dazu. Wechseljahre sind heute zum Glück kein wirkliches Tabuthema mehr wie noch vor zwanzig Jahren, trotzdem ist die Ratlosigkeit immer noch groß, wenn die ersten Symptome auftauchen. Was passiert da gerade mit meinem Körper? Werde ich die nächsten Jahre im Dauerschweiß leben müssen und an Osteoperose zerbröseln? Wo soll man sich Rat holen, wer klärt auf, welche Tipps helfen wirklich? Werde ich nun täglich unerwartete Wutanfälle von einer Wucht haben, mit der man einen alten Bauernschrank quer durchs Zimmer schubsen kann? Dem Kind morgens das Butterbrot vor die Füße werfen und dem Hund sein Trockenfutter, heulen und schreien: „Ich bin doch nur noch euer Futterautomat.”? 

Was haben Grindelwale mit all dem zu tun? Warum passiert das Asiatinnen angeblich sehr viel seltener? Wie finde ich den richtigen Arzt? Soll ich Hormone nehmen? Welche Position habe ich nun eigentlich in der Gesellschaft? Wird am Ende tatsächlich alles gut, oder ist das nur ein leeres Versprechen?

All diese und viele andere Fragen sollen […] besprochen werden, denn je besser Frauen auf diese Zeit des Umbruchs vorbereitet sind, desto eher gelingt es ihnen, mit all den plötzlich auftauchenden Ungeheuern umzugehen, ihnen in die Augen zu blicken und sie damit automatisch zum Schrumpfen zu bringen. 

Im nächsten Beitrag geht es um Hitzewallungen. Um Handventilatoren, Lord Voldemort, Naturheilmittel und die Flucht in Kühltheken.