Die Wahrheit über Wechseljahrsbeschwerden: Hintergründe und der Weg zur richtigen Behandlung

Es soll Gynäkologen geben, für die bestehen Frauen erst einmal nur aus Eierstöcken, Gebärmutter und Brüsten. Und dann gibt es die, die eine Patientin mit Beschwerden über Schlaflosigkeit, Gelenkschmerzen oder regelmäßigen Weinkrämpfen fragen: „Was ist denn sonst so noch in den letzten Monaten mit Ihnen passiert?” 

Von der ersten bis zur letzten Ärztin kann ein Marathon durch diverse Praxen liegen, auf dem einen viel Unglaubliches passiert, aber am Ende nicht geholfen wird. Die Ärztin schaut einen an und sagt: „Sie schwitzen sechsmal am Tag? Nein, das kann keine Perimenopause sein, sie haben ja noch regelmäßig Ihre Periode.” Bei einem anderen Mediziner wartet man eine Stunde, um zehn Minuten mit ihm zu sprechen und dann mit einem Rezept über Antidepressiva nach Hause zu gehen. Der dritte wird erklären: „Mit Ihnen ist doch alles normal. Sie sind jetzt 45, da fängt man an zu degenerieren, warum wollen Sie überhaupt noch Sex?”

Manchmal landet man auch zuerst bei seinem Hausarzt, erzählt davon, dass man jede Nacht das Gefühl hat, dass das Herz einem davon galoppiert. Dann wird Blut abgenommen, EKG und Belastungs-EKG gemacht und einem gesagt, man solle sich nicht so aufregen, es handele sich um harmlose Herzrhythmusstörungen. 

Eine Pflanze und Stuhl

Eine Freundin mit morgendlichen Muskelschmerzen rannte vom Orthopäden zum Rheumatologen, bekam Diagnosen wie Rheuma und Arthrose, ging in ein MRT um am Ende endlich von einer Gynäkologin zu hören, dass die Ursache für ihre Schmerzen wohl in ihrem mittlerweile niedrigen Östrogenspiegel liegt, denn je weniger Östrogen wir produzieren, desto größer ist die Gefahr von Entzündungen und Knochenabbau. Diese Ärztin kritisierte auch, dass selbst Gynäkologen nicht genug über die Wechseljahre wissen, denn in der Facharztausbildung spielen sie kaum eine Rolle. Jemand der Gynäkologe ist muss sich noch lange nicht mit Hormonspiegeln und Hormonersatztherapie auskennen.

Ein guter Arzt versucht erst einmal herauszufinden, warum sich die Patientin so schlecht fühlt. Ein Hormontanz, der außer Kontrolle geraten ist, muss aber auch nicht immer die Lösung sein. Oder die alleinige. Ein guter Arzt versucht herauszufinden, ob man sich antriebslos fühlt, weil vielleicht die Kinder ausgezogen sind oder man gerade eine Trennung durchlebt, ob man kein gutes soziales Netz hat, oder ob es zum Beispiel früher schon mal Depressionsattacken gab.

Einige Gynäkologen haben mittlerweile einen selbst entwickelten Fragebogen, um einzuordnen, ob es sich bei den Beschwerden um Wechseljahrsbeschwerden handeln könnte. Sinnvolle Fragen, die gestellt werden sollten, sind z.B.:

Leiden Sie unter Konzentrationsproblemen?

Sind Sie ohne erkennbaren Grund reizbar, angespannt und unruhig oder nervös?

Leiden Sie unter bisher unbekannten depressiven Verstimmungen wie Mutlosigkeit, Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Antriebsarmut oder Stimmungsschwankungen?

Spüren Sie Veränderungen in Ihrem monatlichen Zyklus wie unregelmäßige, ungewöhnlich starke oder schwache Blutungen?

Ist Ihre Regel über längere Zeit komplett ausgeblieben?

Haben Sie neuerdings Probleme mit dem Ein- oder Durchschlafen?

Nehmen Sie zu, ohne Ihre Essgewohnheiten verändert zu haben?

Ist Ihre Haut ohne erkennbare äußere Ursache trockener geworden?

Leiden Sie unter Herzbeschwerden wie plötzlichem Herzrasen?

Haben Sie häufigen Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen?

Wird Ihr Tag von diffusen Ängsten überschattet?

Haben Sie Panikattacken ohne erkennbare Ursache?

Ist ihre Scheide häufiger sehr trocken?

Haben Sie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr? 

 

Ein nächster Schritt könnte ein Hormontest sein, von dem viele Ärztinnen aber keine besonders hohe Aussagekraft erwarten, denn in den Wechseljahren wechseln sich Östrogengipfel mit Östrogentälern ab. Werden die Eisprünge selten, kommt es auch zum Abfall des Gelbkörperhormons Progesteron. Das andere Problem: Wenn der Zyklus schon unregelmäßig ist, wann ist dann der beste Zeitpunkt, den Test zu machen? Deshalb wird oft nur bei sehr starken Beschwerden von Frauen unter 45 ein Test in Erwägung gezogen. 

Ob Test oder nur Fragebogen oder beides: Eine gute Ärztin wird sich auf jeden Fall ausreichend Zeit nehmen, mit dir über alles zu sprechen und zu diskutieren, ob erst einmal Phytotherapie oder homöopathische Mittel ausprobiert werden sollen, oder ob eine Hormonersatztherapie vielleicht jetzt das richtige wäre, um dir zu helfen. Und damit wären wir beim demnächst erscheinenden Artikel: Hormone ja oder nein? Vielleicht ist es das am hitzigsten diskutierte Thema rund um die Wechseljahre. 

 

Im nächsten Beitrag geht es um die Hormonersatztherapie, um sich widersprechende Studien, zwei Gläser Rotwein am Tag und um Hormonfans und Hormongegner.

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NACHTRAG ZUM ARTIKEL

Als ich diesen Artikel neulich im somebodytoldme – unserem wöchentlich erscheinenden Newsletter – verlinkte, da erreichte mich kurz nach Erscheinen diese Nachricht: 

„Liebe Susanne, bisher fand ich deinen Newsletter interessant und Informativ.  Aber einen Artikel zu verlinken, in dem ernsthaft homöopathische Mittel gegen Wechseljahrsbeschwerden empfohlen werden……sorry, ich bin raus!“. 

Ich glaube es ist das einzige Mal, dass das Wort „Homöopathie“ auf nobodytoldme.com erschienen ist. Ich lese das oben auch nicht als Empfehlung, sondern als eine erwähnte Möglichkeit der Therapie und ansonsten gilt hier immer noch die Meinungsfreiheit der Autorinnen und die Wahlfreiheit der Patientinnen.