Die Rätsel der Wechseljahre: Ein Blick auf das Altern und die Evolution des weiblichen Körpers

Es gibt viele Ratgeber. Sie bereiten uns auf unser Sexleben vor, auf Hochzeit, Scheidung, Kinder. Sie sagen uns, wie wir vegan kochen, welche Pflanzen die besten für unser Hochbeet sind, wie wir stricken, auswandern, Räume dekorieren, Yoga machen, richtig atmen. Nur warum der Körper des weiblichen Homo sapiens ungefähr in der Mitte seines Lebens seine Besitzerin im Stich lässt und ihren Blick auf sich selbst und ihr Universum schlagartig ändert, das findet man kaum in den Regalen der Buchläden oder Büchereien. Dieser Körper, der uns bisher mehr oder weniger ziemlich intelligent designt vorkam, kommt uns plötzlich vor wie das sehr schlichte und nur rudimentär durchdachte Projekt eines Hochstaplers. Und schaut man auf all die Arten, die auf diesem Planeten wuseln, wird klar: es erwischt nur uns und die Wale. Menopause, das Privileg von ein paar Bedauernswerten. Oder macht sie am Ende doch Sinn innerhalb der Evolution?

 

Anthropologen rätseln schon lange darüber, warum es die Menopause gibt. Sie widerspricht der Theorie der natürlichen Auslese, der zufolge jedes Lebewesen vor allem bestrebt sein muss, möglichst viele Nachkommen zu haben, um dann abzutreten. Die Menopause ist ein Mysterium, das es nach Darwins Theorie nicht durch die Auslese hätte schaffen dürfen. 

Neben dem Menschen gibt es genau nur vier Walarten, die sie erleben. Forscher fanden nach jahrzehntelangen Forschungen über eine Orcapopulation im Pazifischen Nordwesten heraus, dass weibliche Orcas ihre Fortpflanzungsfähigkeit um das 40. Lebensjahr herum verlieren, aber bis zu 90 Jahre alt werden können, Männchen dagegen meistens nur um die 50. 

 

Warum lebt eine Orca-Kuh bis zu 50 Jahre über ihr Klimakterium hinaus? Die Untersuchung dieser Frage begann mit der sogenannten Großmutter-Hypothese. Die amerikanische Anthropologin Kristen Hawkes hatte die Hadza, eine Gruppe moderner Jäger und Sammler in Tansania, erforscht und festgestellt, dass Großmütter die Überlebenschance ihrer Enkel erhöhen, indem sie Zeit darauf verwenden, auf sie aufzupassen und ihnen bei der Nahrungssuche zu helfen. 

 

Einen ähnlichen Ansatz verfolgte die Untersuchung vorindustrieller Gesellschaften finnischer und kanadischer Ureinwohner. Auch dort zeigte sich, dass Kinder mit Großmüttern bessere Chancen hatten, bis ins Erwachsenenalter zu überleben.

Fasziniert von diesen Ergebnissen wollten Forscher herausfinden, ob bei den Orcas ein vergleichbarer Effekt auftritt. Sie werteten Daten aus insgesamt 40 Jahren zu Geburten, Todesfällen und anderen Ereignissen im Leben von zwei Orcagruppen an der Westküste der USA aus. Insgesamt analysierte das Team die Überlebensraten von 378 „Orca-Enkeln“ und entdeckte, dass das Sterberisiko für ein Kalb sank, wenn seine Großmutter die Menopause erreichte. Kälber wiederum, deren Großmütter starben, hatten in den nachfolgenden zwei Jahren eine deutlich verringerte Überlebenschance.

 

Ältere Orcaweibchen nach der Menopause hatten mehr Ressourcen Nahrung aufzuspüren, das galt besonders, wenn die Hauptnahrungsquelle Lachs knapp wurde. Sie mussten sich nicht mehr um ihre eigenen Kinder kümmern und konnten ihre Lebenserfahrung teilen. Weil die älteren Weibchen ein reiches Wissen über ihre Umwelt gesammelt hatten, konnten sie ihren komplexen Familienverband in reichhaltigere Nahrungsgründe führen. So sicherten sie, dass der Nachwuchs ihrer sogenannten Walschule erwachsen werden, eigene Kinder haben und das genetische Material der Familie gesichert werden konnte. Mit einem Wort: Oma opfert ihre individuellen Bedürfnisse, um das Leben ihrer Familie zu sichern. Ob sie währenddessen ebenso wie wir mit ihrem Körper und ihrer Psyche hadert, ist leider noch nicht erforscht.

 

Im nächsten Beitrag geht es um Ärzte-Marathons, um Gynäkologen, die wissen wollen, warum man noch Sex haben möchte und um sinnlose und sinnvolle Fragen.