"Irgendwann an Tag 3 war ich mal kurz davor, als Vorab-Belohnung eine fette Ladung Kleider zu kaufen, die mir alle nicht ganz gepasst haben, weil ich mir so sicher war, dass das schon wird.." - Klara Butt

Heute Abend endet die Reise mit einem letzten Online-Termin, und dann sind tatsächlich drei Wochen vorbei. Ich muss ehrlich sagen, dass es in den letzten Wochen zig Momente gab, in denen ich mir diesen Moment herbeigewünscht habe. Aber jetzt habe ich das Gefühl, mir wird was fehlen. Nicht alles, ganz bestimmt nicht alles: Cashewkäse z.B. oder Kichererbsenpasta werde ich keine Träne nachweinen. Aber den ganzen Tag zu wissen, dass ich gerade etwas nur für mich tue, das wird mir fehlen. Auf einer Art “Mission” zu sein, das auch. Das Tüfteln und Erfinden mit Lebensmitteln. Aus Mangel heraus sind vor Jahrhunderten solche tollen Sachen entstanden wie Schinken, Käse oder Matjes – meine Kreationen aus Kokosjoghurt, Blumenkohl und Quinoa können da nicht gegen anstinken, aber es hat Spaß gemacht, dass für ein paar Wochen der Weg zu Miracoli, der Sahnesaucenpasta meines Mittagspausenimbisses und Tiefkühlpizza für mich einfach versperrt war und dass ich mir darum neue Gedanken machen musste, was zum Tofu es jetzt zum Essen geben soll. Und obwohl die Zeit noch nicht ganz um ist, kann ich schon mal Bilanz ziehen. In ein paar Wochen tue ich das dann noch mal und werde berichten, welche neuen Gewohnheiten weiterhin quicklebendig sind. 

Energie: Die Hoffnung, mehr Energie zu haben, ist glaube ich der Hauptgrund, warum ich hier bin. Denn ich war ehrlich am Ende und hab gerade nicht das Leben, das mir das durchgehen lässt. Hab ich jetzt mehr Energie? Einerseits nein. Streckenweise war ich sogar noch müder als vor dem Reset. Aber Tage, nachdem der Kaffeeverzicht und der Entzug vorbei sind, staune ich plötzlich, dass ich morgens (oder nach einem Essen oder nachmittags oder wann auch immer) keinen Kaffee oder Tee mehr brauche, um den Motor hochzufahren. Die Frage ist, ob ich das jemals gebraucht habe. Das heißt, ich bin nicht energiegeladener als vorher. Aber die Energie, die ich habe, ist ganz allein meine – und hat nichts mit Koffein zu tun. Und das fühlt sich fast schon so an wie mehr Energie. Kaffee werde ich also erstmal weiter lassen, auch darum, weil ich nie wieder einen Koffeinentzug erleben will. 

 

Haut, Haare, fabelhaftes Aussehen, nach dem sich die Leute reihenweise umdrehen:
Ein klares Nein. Wenn ich die Schokocroissants auf der Jagd nach Komplimenten weggelassen hätte, wäre ich jetzt schwer enttäuscht. Ich hatte zwischendurch eine kleine Pickelfarm auf der Nase, die hat sich jetzt verzogen. Auch die Haare sind etwas strohig. Das regt mich nicht weiter auf, ich weiß schon lange, dass meine Haut und meine Haare von Monat zu Monat mal gut und mal schlecht drauf sind – es kommen auch wieder bessere Zeiten, und echte Probleme hatte ich weder vorher noch habe ich sie jetzt. 

 

Gewicht, Taille, Hüfte:
Ich hab etwas über ein Kilo abgenommen, da hatte ich natürlich auf mehr gehofft. Irgendwann an Tag 3 war ich mal kurz davor, als Vorab-Belohnung eine fette Ladung Kleider zu kaufen, die mir alle nicht ganz gepasst haben, weil ich mir so sicher war, dass das schon wird. Hab ich dann gelassen – besser so. Aber: ich hab viel darüber nachgedacht, wie geduldig und nachgiebig ich bin, wenn es um nicht so gesunde Lebensgewohnheiten geht. Warum sollte ich jetzt andere Maßstäbe an die Reset-Veränderungen legen? Wenn eine drei Wochen rauchen würde und mir dann erzählen würde “Ich hab immer noch keinen Lungenkrebs, siehste, alles Quatsch”, wäre das dämlich. Wenn ich aber nach drei Wochen Reset denke “Immer noch eng in der Büx, so ein Unfug”, dann lasse ich mir nichts vormachen – oder was? Ich könnte mir auch vorstellen, dass es etwas mehr gewesen wäre, wenn ich mehr Übergewicht gehabt hätte statt nur einen großzügigen Rettungsring. 

 

Laune: 

Die ging mehrfach in den Keller, Verzicht ist einfach nicht mein Sport. Außerdem hatte ich in den drei Wochen nicht nur den viertägigen Koffeinkater, sondern auch zweimal Migräne, und die hatte ich vorher seit Geburt meines ältesten Kindes vielleicht noch zwei mal im Jahr. Das war schon ziemlich Mäh. Aber in den guten Momenten war ich immer wieder überrascht davon, wie wenig Hunger und Fress-Gelüste ich hatte. Ich fühlte mich gut versorgt, fast schon umsorgt. Und obwohl ich mir all den Kichererbsenkram und die Leinsamen sehr großzügig aufgetan habe, hatte ich jetzt wochenlang kein einziges Mal so ein typisches Fresskoma nach einer Mahlzeit. 

 

Eigenartige Nebenwirkungen: 

Ich rieche aus dem Mund. Anfangs habe ich es nur gemerkt, wenn ich eine Maske aufhatte, inzwischen auch ohne. Man könnte denken, da ist was mit einem Zahn im Argen, aber ich war erst vor sieben Wochen bei meiner sehr guten Zahnärztin. 

Ich habe leichte Blutungen, zehn Tage, bevor eigentlich die ersten Vorboten meiner Periode fällig wären. Allerdings ohne die Schmerzen, die sonst unzertrennlich dazu gehören. 

Die Hornhaut an meinen Ellenbogen ist verschwunden.
Der Hund hat sich seit Wochen nicht mehr neben mich gesetzt, wenn ich etwas esse. 

Ich bekomme plötzlich mir vollkommen wesensfremde Posts bei Instagram gezeigt, ohne dass ich auf den dazugehörigen Seiten gewesen oder Reset-Spezial-Bedarf im Netz geordert hätte. 

Die Kühlschranktür geht kaum noch zu, weil wir mittlerweile fünf Sorten “Milch” unterbringen müssen. 

Ich habe mir angewöhnt, von Pflanzen im Vorbeigehen Blätter abzurupfen und daran zu schnuppern. 

Ich friere, und ich habe immer geschwitzt. In den letzten Wochen sah man mich manchmal, wie andere Frauen auch, mit den Händen in zwei Woll-Ärmeln vergraben und einer Teetasse zwischen diesen Wollpfoten im Fenster kauern und fröstelnd in den Regen starren. Der TCM-Mann, zu dem ich während meiner IVF-Abenteuer vor vielen Jahren mal gelaufen bin, hat mir immer erzählt, ich hätte zu viele männliche Hormone, daher die Hitze. Hormonveränderung – Check. 

 

Und, tue ich das nochmal? 

Ich bin mir ganz sicher. Nicht sofort und auch nicht in drei Monaten, aber ganz bestimmt in den nächsten zwölf. Ich kann im Moment noch gar nicht so sagen, warum eigentlich. Ich weiß nur, etwas hat angefangen, und ich würde gerne sehen, was daraus wird. Darum hab ich auch das Gefühl, heute Bilanz zu ziehen, ist eigentlich Quatsch – in vier Wochen oder einem halben Jahr wäre es viel sinnvoller.

 

Was wird meine erste Mahlzeit danach? 

Matjes, Kartoffeln, Butter und Zwiebeln. Aus keinem anderen Grund als dem, dass ich genau das essen will, schon seit Tagen. Und das werde ich dann wohl tun.

 

 

Photo von Amanda Maria Canas auf Unsplash