Eine unvorbereitete Reise durch die Menstruationsmythen und Realitäten: Erlebnisse und Anekdoten rund um die Menstruation

Meine erste habe ich mit 12, und ich bin nicht darauf vorbereitet. Kann sein, dass wir in der Schule mal darüber gesprochen haben, aber wenn, dann nicht sehr eindringlich und ausführlich – meine Grundschullehrerin hätte sich eher live im Unterricht einen Zahn ziehen lassen und mein Biolehrer in der fünften und sechsten Klasse ist ein zwei Meter großer, sehr schüchterner Ironiker, ich sehe ihn irgendwie nicht vor mir, wie er uns einfühlsam auf die anstehenden Veränderungen vorbereitet – hätte er es getan, hätte sich das bestimmt bis heute unauslöschlich in mein Gedächtnis gebrannt. Aber vielleicht tue ich ihm da auch Unrecht. Wie dem auch sei: als es passiert, habe ich aus welchem Grund auch immer keine Ahnung, was da los ist. Alles, was ich weiß, ist: das hier ist erstmal extrem peinlich, besser, niemand weiß davon. Weil mir aber nicht klar ist, dass das allen Mädchen passiert, habe ich auch nicht auf dem Schirm, dass solche Dinge wie Binden und Tampons existieren. Also tue ich folgendes: ich klaue eine Rolle doppelseitiges Klebeband aus Papas Werkzeugkeller, ein Päckchen Tempos dazu und ein bisschen Frischhaltefolie, und dann klebe ich mir Tempotaschentücher mit Plastik-Dichtung in die Unterhose. (Zu doof, um die Periode zu kapieren, aber zum Glück nicht zu doof, um eine MacGyver-Version der Binde zu erfinden.)

Funktioniert das? Nö. Trotzdem ziehe ich das fast ein Jahr lang durch, lass blutbefleckte Unterhosen verschwinden und schaffe von meinem schmalen Taschengeld neue an, bis meine Mutter mir eines Tages kommentarlos eine Packung Binden ins Bad legt, und das ist mir dann unangenehmer als alles vorher zusammen.

Meine Tante erzählt von ihrer Kindheit in den 50ern auf dem Lande: Auch Frauen über 12 war das Kaufen von Binden sehr peinlich. Um sie und das Ladenpersonal nicht unnötig zu quälen, lagen die Ihr-wisst-schon-was,die-Dinger-deren-Namen-wir-nicht-aussprechen-wollen nicht offen im Regal. Es gab in der dunkelsten Ecke des Ladens einen Block mit braunen Zetteln, von denen konnte man sich einen abreißen und schob ihn dann diskret mit seinem restlichen Einkauf über den Tresen. Nachdem man dann für alles bezahlt hatte, gab einem die Verkäuferin ein in braunes Packpapier eingeschlagenes Paket, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass gerade niemand guckte. Heute regen mich solche Geschichten auf. Damals hätte ich das Geheimdienst-Flair geliebt.

“Und da habe ich jahrelang in dem Glauben gelebt, sie würde einfach irgendwann weniger werden.”

Meine Oma erzählt dagegen von ihrer Kindheit in der Stadt: Damals gab es keine Wegwerfbinden, es gab überhaupt keine Binden zu kaufen – wer welche brauchte, musste sie sich stricken oder häkeln. Sie hatten Knöpfe und Knopflöcher, damit man sie in der Unterhose mehr oder weniger fixieren konnte. Eines Tages fand meine achtjährige Oma eine dieser Strickbinden. (Ich stelle mir vor: es ist Juli 1932, ein schöner Sommertag, Waschmaschinen existieren noch nicht, und ich trage eine Binde aus Wolle. Und dann stelle ich mir lieber schnell was anderes vor.) Sie fragte ihre Mutter, was das sei, und die erzählte ihr, das bräuchte man, wenn man Halsschmerzen hätte. Ein Weilchen später hatte meine Oma eines Morgens Halsschmerzen, ihre Mutter schlief noch, und da knöpfte sie sich vor der Schule eine der Strickbinden um den Hals. Sie wurde in der Schule zum Direktor zitiert und musste zwei Schultage lang in der Ecke sitzen. Als sie mir die Geschichte erzählt, lacht sie.

Mit 18 treffen wir uns eines Abends zum Video gucken. Richtig mit Videothek vorher und Bahlsen Stapelchips, die Mädchen trinken Criss. Erinnert sich jemand an Criss? Wir haben uns Carrie ausgeliehen. Es kommt die Stelle, an der Carrie ihre Periode in der Schul-Dusche bekommt und das Blut an ihren Beinen herunterläuft. Dann rasten die anderen Mädchen komplett aus und bewerfen sie mit Binden und Tampons. Wie das ausgeht, wissen wir alle. Ich erinnere mich noch jetzt genau an das angewiderte Geraune im Zimmer, als Carrie blutet. “Äääh, Uuuh, nee jetzt!” Der Tampons werfende Mob dagegen wird schweigend hingenommen. Die Mehrheit meiner Mitschüler in den späten Achtzigern findet Menstruation offensichtlich ekliger als Mobbing und ist in dieser Sache instinktiv auf der Seite der Highschool Bitches.

Mit Mitte 40, kurz nach der Geburt mehrerer Kinder, dreht meine bis dahin trotz harter Endometriose eher friedliche Periode auf den letzten Metern noch mal richtig auf. (Und da habe ich jahrelang in dem Glauben gelebt, sie würde einfach irgendwann weniger werden… und weniger… und seltener… und seltener… tscha nu.) Sie dreht sogar so auf, dass ich eines Morgens in der U-Bahn stehe, auf dem Weg zur Arbeit, an Tag 24 meines manierlichen 28 Tage-Zyklus, und mit einem leisen Platsch plötzlich bis zu den Knien nassgeblutet bin.

In der Zeit, die die Bahn von Landungsbrücken bis Baumwall braucht, durchlaufe ich die Phasen von Persil-Reinheit zu Splattermovie. Es tut nicht weh, ich staune nur und bin dankbar, dass ich mich heute morgen entschieden hatte, einen dunkelblauen Dufflecoat zu tragen und keine Jeansjacke. Etwas steif wegen der schnell erstarrenden Jeans gehe ich an meinen Arbeitsplatz, informiere kurz meine Kollegin und versuche dann, jetzt sofort einen Termin in meiner Frauenarztpraxis zu kriegen. Nichts zu machen. Erst am nächsten Tag komme ich dran, und meine sehr nette und für mein Gefühl auch sehr gute Ärztin weiß auch nicht – vielleicht die Hormonspirale? Die kostet ca. 700 Euro. Ich könnte mir das leisten, aber will irgendwie nicht, denn in letzter Zeit fällt mir – nicht zuletzt seit der genialen Tampon-Buch-Idee – immer wieder auf, wie viel Geld uns unsere Periode kostet, und diesen Betrag einfach mal so rüberzuschieben, erscheint mir irgendwie als Verrat an der vielleicht klammeren Schwesternschaft. (Selbst die eigentlich tollen Menstruationstassen, die ja nicht nur Müll und CO2, sondern auch Geld sparen sollten, kosten 17 Euro – WTF? Wieso?) Und die Schwesternschaft beschäftigt mich in diesen Tagen mehr als jemals zuvor.

Was will ich mit all diesen blutigen Anekdoten eigentlich sagen? Ich weiß es selbst nicht so genau. Ich weiß nur, dass ich es im Nachhinein traurig finde, dass meine eigene Mutter das Thema immer so weiträumig und feinfühlig umschifft hat. Dass es mir gut tut, zuzuhören, wenn andere Frauen davon erzählen. Und dass ich hoffe, Euch geht’s genau so. Geht’s Euch genau so?

CREDITS

Die Fotos sind von: Jason LeungMonika Kozub und Chuttersnap, die auf Unsplash ihre Fotos kostenlos zur Verfügung stellen. Danke. Thanks. Merci.

ANMERKUNG DER REDAKTION

Es ist immer noch ein weiter Weg für uns Frauen, bis wir eine Gleichverteilung der Lasten haben, bis Männer sich beispielsweise fifty fifty an den Verhütungskosten oder den Kosten für die Periode beteiligen.

Hinter der folgenden Auswahl an Periodenprodukten, Verhütungsangeboten und Beckenbodentrainern (!) stehen immerhin gestandene Unternehmerinnen. Und so geht das Geld wenigstens zurück in die Schwesternschaft.

Aber zuallererst muss Periodensystem genannt werden, die Perioden- und Hygieneprodukte für obdachlose Frauen* und Frauen* in Not ❤️ organisieren.