Eine oft gestellte Frage unter Frauen betrifft den Verzehr von phytoöstrogenhaltigen Lebensmitteln wie Leinsamen nach einer Brustkrebserkrankung, insbesondere bei hormonabhängigen Tumoren. Dies beruht auf den hohen Gehalten an Phytoöstrogenen in Leinsamen, die eine östrogenähnliche Wirkung haben und theoretisch das Wachstum hormonabhängiger Tumore beeinflussen könnten. Diese Bedenken sind nachvollziehbar, da bei einer hormonabhängigen Brustkrebserkrankung besondere Vorsicht geboten ist. Es ist jedoch wichtig, gut informiert zu sein und individuell abzuwägen, ob und wie Leinsamen in die Ernährung integriert werden können.

Wichtiger Hinweis VORWEG:

Wir sind keine Ärzt:innen und dürfen sowie können daher keine individuelle medizinische Beratung anbieten. Die hier bereitgestellten Informationen dienen lediglich als Orientierungshilfe und sollten immer mit einer qualifizierten Ärztin, insbesondere einer Onkologin, abgesprochen werden.

Was sind Phytoöstrogene?

Phytoöstrogene sind pflanzliche Substanzen, deren Struktur und Funktion dem körpereigenen Östrogen ähneln. Sie binden sich an die gleichen Rezeptoren im Körper wie Östrogen und können daher ähnliche, aber wesentlich schwächere Wirkungen entfalten. Phytoöstrogene kommen in vielen pflanzlichen Lebensmitteln vor, wobei die bekanntesten Gruppen Isoflavone und Lignane sind. Isoflavone sind besonders in Soja enthalten, während Lignane vor allem in Leinsamen und Sesam in größeren Mengen vorkommen.

Da Phytoöstrogene eine östrogenähnliche Wirkung haben, gibt es Bedenken, dass sie das Wachstum hormonabhängiger Brustkrebszellen beeinflussen könnten. Andererseits deuten viele wissenschaftliche Studien darauf hin, dass Phytoöstrogene bei moderater Aufnahme möglicherweise eine schützende Wirkung auf Brustkrebs haben könnten, insbesondere wenn es um hormonabhängige Tumore geht. (1)

Lebensmittel mit HOHEM GEHALT AN Phytoöstrogenen

Neben Leinsamen gibt es viele andere pflanzliche Lebensmittel, die Phytoöstrogene enthalten und die Gesundheit fördern können. Darunter sind vor allem Sojabohnen und Sesam zu nennnen:

Soja-Produkte: Soja enthält Isoflavone, eine weitere Gruppe von Phytoöstrogenen. In Ländern mit hohem Sojakonsum wie Japan ist das Brustkrebsrisiko signifikant niedriger, was teilweise auf den Sojakonsum und die Wirkung der darin enthaltenen Isoflavone zurückgeführt wird. In moderaten Mengen (1-2 Portionen pro Tag) gelten Soja-Produkte wie Tofu, Tempeh und Sojamilch als gesund und sicher. Auch die Jodversorgung könnte einen schützenden Einfluss auf das Brustkrebsrisiko haben.

Sesam: Sesam ist ebenfalls reich an Lignanen und kann als weiteres gesundes Lebensmittel in die Ernährung aufgenommen werden.

Phytoöstrogene und ihre Wirkung auf Brustkrebs

Lignane, die hauptsächlich in Leinsamen und Sesam vorkommen, gehören zu den Phytoöstrogenen. Nachdem Lignane im Körper aufgenommen wurden, wandeln Darmbakterien sie in die aktiven Metaboliten Enterodiol und Enterolacton um. Diese Metaboliten haben eine schwache östrogenartige Wirkung, die jedoch nicht so stark ist wie das körpereigene Östrogen. Diese Wirkungen könnten schützend wirken, da sie die stärkeren körpereigenen Östrogene teilweise blockieren. (1)

Ein weiterer aktiver Metabolit ist Equol, das aus Isoflavonen – insbesondere aus Daidzein – durch die Aktivität bestimmter Darmbakterien gebildet wird. Isoflavone sind wie bereits erwähnt pflanzliche Verbindungen, die vor allem in Sojabohnen und daraus hergestellten Lebensmitteln wie Tofu, Tempeh, Sojamilch und Miso vorkommen. Equol kann eine antiöstrogene Wirkung entfalten, indem es selektiv an Östrogenrezeptoren bindet und so hormonelle Prozesse beeinflusst. Allerdings ist nicht jeder Mensch in der Lage, Equol zu produzieren – dies hängt maßgeblich von der individuellen Zusammensetzung der Darmflora ab. Studien zeigen, dass nicht alle Menschen hier in Europa über die nötigen Darmbakterien verfügen, um Isoflavone in Equol umzuwandeln.

Studien

Die präventiven und therapeutischen Wirkungen von Lignanen und ihren Metaboliten auf Brustkrebs wurden in zahlreichen wissenschaftlichen Studien untersucht. Insbesondere Enterolacton hat sich als vielversprechender Wirkstoff herausgestellt, da es verschiedene Mechanismen im Körper aktiviert, die das Wachstum von Tumoren hemmen können. Und obwohl die Studienlage manchmal recht verwirrend und nicht eindeutig erscheint, sind die bisherigen Erkenntnisse äußerst vielversprechend. Damit auch du einen Überblick bekommst, sind im Folgenden die wichtigsten Daten und Ergebnisse für dich  zusammengefasst.

Meta-Analyse zu Enterolacton und Brustkrebsüberlebensrate

Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2014, die mehrere Kohortenstudien zusammenfasste ergab, dass hohe Spiegel von Enterolacton, einem wichtigen Lignan-Metaboliten, mit einer Reduktion sowohl der Gesamtmortalität  als auch der brustkrebsspezifischen Mortalität assoziiert sind. Dies deutet darauf hin, dass eine hohe Aufnahme von Lignanen positive Auswirkungen auf das Überleben von Brustkrebspatientinnen haben kann. (2)

Lignan-Aufnahme und Überlebensrate bei Brustkrebs

Auch die Ergebnisse der Studie aus 2011 zum Thema Lignan-Aufnahme in der Ernährung und deren Zusammenhang mit der Überlebensrate bei Frauen mit Brustkrebs deuten darauf hin, dass eine höhere Aufnahme von Lignanen mit einer verbesserten Überlebensrate bei postmenopausalen Frauen mit Brustkrebs verbunden sein könnte. (3)

Lignane und Brustkrebsrisiko bei postmenopausalen Frauen

Eine weitere Metaanalyse zeigte auf, dass eine hohe Aufnahme von Lignanen mit einem signifikant geringeren Risiko für Brustkrebs bei postmenopausalen Frauen verbunden war. Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen mit einer hohen Lignan-Aufnahme ein 15 % geringeres Risiko hatten, an Brustkrebs zu erkranken, verglichen mit Frauen mit einer niedrigen Aufnahme. (4)

Wirkung von Leinsamen auf Östrogen-Metaboliten

Eine kontrollierte klinische Studie untersuchte zudem die Wirkung von Leinsamen auf postmenopausale Frauen über sieben Wochen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Einnahme von 30 g gemahlenen Leinsamen (das entspricht etwa vier Esslöffel und ist mehr als die vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlene tägliche Menge), wobei Sojaprodukte vermieden und die Leinsamen in die  Ernährung integriert wurden (z. B. ins Müsli, Joghurt oder Smoothies), signifikante Veränderungen bestimmter Östrogen-Metaboliten bewirkte. Diese Veränderungen könnten die Rolle von Leinsamen in der Brustkrebsprävention unterstreichen, da eine Verschiebung in der Metabolisierung von Östrogen mit einem verringerten Risiko für hormonabhängige Tumore assoziiert sein kann. (5)

Leinsamen und Tumorbiomarker bei Brustkrebs

In einer weiteren Studie mit Brustkrebspatientinnen wurde untersucht, wie sich die tägliche Einnahme von Leinsamen auf Tumorzellen auswirkt. 

Die Forschung zeigte, dass Leinsamen durch den Metaboliten Enterolacton das Wachstum von Tumorzellen hemmen und den programmierten Zelltod (Apoptose) von Krebszellen fördern können. Diese duale Wirkung – die Reduktion des Tumorwachstums und die Stimulierung der Apoptose – könnte eine wichtige Rolle dabei spielen, die Tumorprogression zu verlangsamen und möglicherweise die Metastasierung zu verhindern. Die Zellvermehrung von Tumorzellen reduzierte sich um 34,2 %, während der programmierte Zelltod der Krebszellen um 30,7 % anstieg. Beide Ergebnisse waren statistisch signifikant. Diese Studie legt nahe, dass Leinsamen nicht nur präventiv wirken könnten, sondern auch therapeutisch eine unterstützende Rolle in der Bekämpfung von Brustkrebs spielen könnten. (6)

Einfluss von BMI und Hormonstatus auf Phytoöstrogene

Der Effekt von Phytoöstrogenen, insbesondere von Lignanen, kann durch individuelle Faktoren wie Body-Mass-Index (BMI), Taillen-Hüft-Verhältnis und Hormonspiegel beeinflusst werden. Frauen mit einem normalen Körpergewicht scheinen tendenziell stärker von den potenziellen Vorteilen der Phytoöstrogene zu profitieren als Frauen mit Mehrgewicht. (7)

Regionale Unterschiede im Zusammenhang zwischen Isoflavonen und Brustkrebsrisiko

In asiatischen Ländern, in denen der Sojakonsum traditionell hoch ist, wurde in Meta-Analysen ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer hohen Isoflavon-Aufnahme (einer anderen Gruppe von Phytoöstrogenen) und einem reduzierten 41 Prozent geringerem Brustkrebsrisiko festgestellt. Bei westlichen Frauen wurde kein signifikanter Zusammenhang zwischen Isoflavon-Aufnahme und Brustkrebsrisiko gefunden. Dies könnte auf Unterschiede in der Ernährung, genetischen Prädisposition oder dem Mikrobiom zurückzuführen sein. (6)

Natürliche Aufnahme vs. Nahrungsergänzung:

  • Die Forschung zeigt, dass die Einnahme von Phytoöstrogenen in Form von natürlichen Lebensmitteln wie Leinsamen oder Sojaprodukten sicher und potenziell vorteilhaft ist. (10)
  • Hochdosierte Soja-Supplemente hingegen wurden weniger intensiv auf ihre Sicherheit hin untersucht, und es gibt Hinweise darauf, dass isolierte Isoflavone nicht dieselben positiven Effekte wie ganze Lebensmittel haben könnten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt: „Isolierte Isoflavone sind nicht ohne Risiko“ (1)

Zusammenfassung der Studien:

Die aktuelle Studienlage zeigt, dass sowohl Lignane als auch Isoflavone bei moderater Aufnahme über natürliche Lebensmittel für Brustkrebspatientinnen als sicher eingestuft werden können (4,8,9). Besonders Lignane aus Leinsamen zeigen vielversprechende Effekte auf Tumormarker und Überlebensraten (2,6). Von hochdosierten Nahrungsergänzungsmitteln ist aufgrund unzureichender Sicherheitsdaten jedoch abzuraten (10). Die Wirksamkeit kann individuell unterschiedlich sein und wird von verschiedenen Faktoren wie Körpergewicht und Hormonstatus beeinflusst (7).

Leinsamen als Quelle von Lignanen

Leinsamen sind eine der besten Quellen für Lignane. Um die vollen gesundheitlichen Vorteile der Lignane zu nutzen, sollten Leinsamen frisch geschrotet verzehrt werden. Der Grund dafür ist, dass die harte Schale der Leinsamen den Körper daran hindert, die Lignane richtig aufzunehmen, wenn die Samen nicht zerkleinert werden. Leinsamen sollten daher immer frisch geschrotet oder gemahlen verzehrt werden, um die besten gesundheitlichen Vorteile zu erzielen. Mehr zum Thema Leinsamen und Tipps zum Schroten findest du in diesem Artikel.

Dosierung:
In klinischen Studien wurde eine Dosierung von 25 Gramm Leinsamen pro Tag als sicher und effektiv dokumentiert. (6)  Diese Menge ist jedoch höher als die vom Bundesamt für Risikobewertung (BfR) empfohlene tägliche Aufnahme von 20 Gramm (11, 12), bzw. 15 Gramm pro Portion.

Sicherheit:
Der Verzehr von Leinsamen ist bei moderaten Mengen gesundheitlich unbedenklich. Allerdings können Leinsamen, gesundheitsschädliche Substanzen wie Cyanid (Blausäure) und Cadmium enthalten. Das BfR entwarnt jedoch: „Der Verzehr von Leinsamen ist selbst bei hohen Blausäure-Gehalten gesundheitlich unbedenklich, wenn die gängigen Verzehrsempfehlungen von maximal 15 g pro Einzeldosis
beachtet werden“. (12)

Zeitlicher Verlauf der Cyanid-Blutspiegel

Die Grafik zeigt den zeitlichen Verlauf der Cyanid-Blutspiegel nach dem Verzehr verschiedener Lebensmittel wie Aprikosenkerne (2 g), Leinsamen (31 g), Maniok (100 g) und Persipan (100 g). Alle Lebensmittel enthielten 6,8 mg Blausäure. (12)

Fazit

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass Phytoöstrogene, aufgenommen aus natürlichen Lebensmitteln wie Leinsamen und Soja, bei moderater Aufnahme unbedenklich sind und möglicherweise sogar eine schützende Wirkung gegen Brustkrebs haben können. Besonders Lignane aus Leinsamen haben in Studien positive Effekte auf Tumormarker und die Überlebensraten gezeigt. Dennoch ist es wichtig, dass du diese Informationen mit deiner Ärztin besprichst, um sicherzustellen, dass du die für dich richtige Entscheidung triffst.

Quellen:

  1. Bundesinstitut für Risikobewertung. (n.d.). Isolierte Isoflavone sind nicht ohne Risiko. https://www.bfr.bund.de/cm/343/ isolierte_isoflavone_sind_nicht_ohne_risiko.pdf
  2. Buck, K., et al. (2014). Enterolactone concentrations and prognosis after postmenopausal breast cancer: Assessment of effect modification and meta-analysis. Breast Cancer Research and Treatment, 144(3), 745–753. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24436155/
  3. Buck, K., et al. (2010). Dietary flaxseed alters tumor biological markers in postmenopausal breast cancer. Breast Cancer Research and Treatment, 124(1), 111–117. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC2883619/#S4
  4. Velentzis, L. S., et al. (2010). Meta-analyses of lignans and enterolignans in relation to breast cancer risk. The American Journal of Clinical Nutrition, 92(1), 141–153.https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20463043/
  5. Brooks, J. D., Ward, W. E., Lewis, J. E., et al. (2019). Effect of dietary flaxseed intake on circulating sex hormone levels among postmenopausal women: A randomized controlled intervention trial. Nutrition and Cancer, 71(1), 43–52. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30375890/
  6. Thompson, L. U., Chen, J. M., Li, T., Strasser-Weippl, K., & Goss, P. E. (2005). Dietary flaxseed alters tumor biological markers in postmenopausal breast cancer. Clinical Cancer Research, 11(10), 3828–3835. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15897583/
  7. Zeleniuch-Jacquotte, A., et al. (2003). Urinary phytoestrogen excretion and breast cancer risk: Evaluating potential effect modifiers endogenous estrogens and anthropometrics. Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention, 12(7), 758–765. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12814993/
  8. Del Pup, L., Cavaliere, C., Verschraegen, C., & Del Pup, P. (2013). Endometrial, breast and liver safety of soy isoflavones plus Lactobacillus sporogenes in post-menopausal women. Gynecological Endocrinology, 29(3), 260–263. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23194023/
  9. Beebe, J., et al. (2008). Red clover isoflavones are safe and well tolerated in women with a family history of breast cancer. Menopause, 15(6), 1212–1217. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18380954/
  10. Wu, A. H., Yu, M. C., Tseng, C. C., & Pike, M. C. (2009). Dietary soy intake and breast cancer risk. The American Journal of Clinical Nutrition, 89(5), 1458–1464. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19726393/
  11. Bundesinstitut für Risikobewertung. (n.d.). Verbrauchertipps zur Verringerung der Aufnahme unerwünschter Stoffe über Lebensmittel. https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/verbrauchertipps _zur_verringerung_der_aufnahme_ unerwuenschter_stoffe_ueber_lebensmittel.pdf
  12. Bundesinstitut für Risikobewertung. (2014). BfR-Jahresbericht 2014: Rückblick auf aktuelle Themen und Zahlen. https://www.bfr.bund.de/epaper_jahresbericht_deutsch_ 2014/files/assets/common/downloads/page0049.pdf