Für den kürzlich in der ELLE 8/25 erschienenen Artikel zum Thema Insulinresistenz wurde ich als Expertin interviewt, um mein Fachwissen aus ernährungswissenschaftlicher Sicht einzubringen. Leider wurden einige meiner Aussagen in stark vereinfachter Form dargestellt und dadurch inhaltlich verfälscht oder missverständlich wiedergegeben. In einem Zitat spreche ich auch über Glykose, obwohl ich über Glukose so noch nie gesprochen habe und dies auch nicht im vorausgegangenen Interview getan habe. Als Oecotrophologin ist es mir wichtig, hier eine Korrektur vorzunehmen.

Wo ich mit den Inhalten des Artikels nicht konform gehe

Obst: Teil der Lösung, nicht das Problem

Meine Aussagen zum Thema Obst wurden im ursprünglichen Artikel leider verkürzt – und dadurch verfälscht.
Was ich im Interview betonen wollte: Bei Insulinresistenz ist es sinnvoll, Obst bewusst zu wählen und mit anderen Makronährstoffen wie Fetten, Ballaststoffen oder Proteinen zu kombinieren. So lassen sich starke Blutzuckerspitzen vermeiden – ohne gleich auf Obst verzichten zu müssen.

Daraus wurde jedoch: „Obst ist gefährlich und sollte gemieden werden.“
Diese Formulierung entspricht nicht meiner fachlichen Position – und auch nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft.

Im Gegenteil: Eine umfassende Meta-Analyse aus dem Jahr 2013, veröffentlicht im British Medical Journal, wertete Daten von über 187.000 Menschen aus. Das Ergebnis: Der regelmäßige Verzehr ganzer Früchte kann das Risiko für Typ-2-Diabetes um 7 % senken (1). Besonders Blaubeeren, Trauben und Äpfel zeigten sogar einen noch stärkeren schützenden Effekt.

Warum Obst tatsächlich schützt:

  • Ballaststoffe verlangsamen die Zuckeraufnahme erheblich
  • Antioxidantien verbessern nachweislich die Insulinsensitivität
  • Sekundäre Pflanzenstoffe haben starke entzündungshemmende Eigenschaften
  • Niedrige glykämische Last bei ganzen Früchten im Vergleich zu verarbeiteten Produkten
Süßstoffe – differenzierter als dargestellt

Ein weiterer Punkt, der im Artikel deutlich verkürzt wiedergegeben wurde, betrifft meine Einschätzung zu Süßungsalternativen. Was ich im Interview eigentlich betonen wollte: Es gibt durchaus natürliche Süßungsalternativen, die – bei maßvollem Einsatz und je nach individueller Verträglichkeit – Teil einer ausgewogenen Ernährung sein können.

Im veröffentlichten Text wurde daraus jedoch die pauschale Aussage: „Eine gesunde Süße gibt es nicht.“
Diese Verkürzung entspricht weder meinem fachlichen Verständnis noch dem Stand der aktuellen Forschung. Die moderne Ernährungswissenschaft differenziert hier deutlich stärker.

So zeigen aktuelle Studien:

  • Stevia: Kann sogar die Glukosetoleranz verbessern (2)
  • Erythrit: Hat nachweislich keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel (3)
  • Xylitol: Zeigt zusätzlich positive Effekte auf die Mundgesundheit (4)

 

Ich selbst esse diese Süßungsalternativen nur sehr selten, weil wir über das Essen von Süßem unser Geschmacksempfinden immer wieder prägen. Aber grundsätzlich können Stevia & die erwähnten Zuckeralkohole den Übergang zu einer Ernährung mit deutlich weniger Zucker erleichtern. 

Individualität statt Verbote – warum Ernährung keine Einheitslösung ist

Ein Aspekt, der mir im Interview besonders am Herzen lag, wurde im Artikel leider stark verkürzt und verfälscht wiedergegeben:
Meine Betonung auf einer individuellen Herangehensweise an das Thema Insulinresistenz wurde zu pauschalen Verboten umgedeutet.

Dabei war meine eigentliche Botschaft:
Ernährung bei Insulinresistenz muss immer auf die jeweilige Person abgestimmt sein. Jeder Mensch bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit – und genau darauf sollte man eingehen. Pauschale Regeln oder starre Einschränkungen helfen hier nicht weiter.

Die im Artikel vermittelte Botschaft – radikale Einschränkungen und generelle Verbote seien notwendig.  Das widerspricht nicht nur meiner persönlichen Haltung, sondern auch den offiziellen Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Sie rät ausdrücklich zu einer ausgewogenen, flexiblen und alltagstauglichen Ernährung, nicht zu einem starren Korsett aus Verboten (5).

WAS ICH ZUR PRÄVENTION EINER INSULINRESISTENZ EMPFEHLE
Ballaststoffe: kleine Helfer mit großer Wirkung

Die Forschung ist eindeutig: Ballaststoffe – vor allem die unlöslichen – spielen eine entscheidende Rolle für einen stabilen Blutzuckerspiegel. Die OptiFiT-Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung zeigt sogar, dass sie den Langzeitblutzucker bei Menschen mit Diabetes signifikant verbessern können (6).

Ich empfehle deshalb täglich Ballaststoffe aus folgenden Quellen zu verzehren:

🌾 Vollkorngetreide
🥦 Gemüse & Obst (ja, auch Obst!)
🥜 Nüsse & Samen
🌱 Hülsenfrüchte wie Linsen oder Kichererbsen

 

Mediterran essen 

Die sogenannte „mediterrane Ernährung“ ist eine gute Grundlage bei Insulinresistenz. Studien zeigen, dass sie das Risiko für Typ-2-Diabetes um bis zu 52 % senken kann (7) – ganz ohne Verbote, sondern mit frischen, echten Lebensmitteln.

 

Was dazugehört?

🍇 2–3 Portionen Obst pro Tag
🌾  Vollkornprodukte
🥗 Gesunde Fette wie Olivenöl oder Nüsse
🐟 Fisch & Hülsenfrüchte

 
Statt Einschränkungen: clevere Kombinationen

Mir geht es nicht darum, etwas zu verbieten – sondern zu zeigen, wie man Lebensmittel sinnvoll kombiniert:

  • Apfel + Mandelmus = Ballaststoffe & gesunde Fette
  • Beeren im Porridge = Antioxidantien & komplexe Kohlenhydrate
  • Orange nach dem Training = nutzt die bessere Glukoseverwertung
 
Timing schlägt Verbote

Worauf es wirklich ankommt, ist das Wann und das Wie:

  • Nach dem Sport ist die Glukosetoleranz besonders hoch
  • Mit den Mahlzeiten helfen Ballaststoffe, den Blutzucker abzufedern
  • Morgens reagiert der Körper besonders sensibel auf Insulin

 

Dennoch gibt es auch einige Dinge, die ich komplett weglasse oder kaum verzehre; dazu zählen: 

  • Fruchtsäfte trinke ich selten, weil sie viel Zucker – vor allem Fructose – auf einmal liefern
  • Trockenfrüchte esse ich selten und wenn, dann in kleinen Mengen bei einer Wanderung oder verdünnt, wie du das von unserer Dattelsüße kennst
  • Süße Produkte, die viel Zucker enthalten, esse ich selten. Dafür greife ich täglich zur dunklen Schokolade mit mindestens 85 % Kakao.  

 

Aber: Das bedeutet nicht, dass du dir alles verbieten solltest. Viel wichtiger ist ein gutes Grundverständnis und eine Ernährung, die sich langfristig in den Alltag integrieren lässt – mit Genuss, Flexibilität und realistischen Lösungen.

Fazit

Insulinresistenz ist ernst zu nehmen – aber nicht mit Angstmache und unwissenschaftlichen Verboten. Die Evidenz ist klar:

  • Obst ist Teil der Lösung, nicht des Problems
  • Ballaststoffe aus allen Quellen sind wertvoll
  • Individuelle Beratung schlägt pauschale Verbote
  • Langfristige Nachhaltigkeit ist wichtiger als radikale Maßnahmen

Quellen

(1) Muraki et al. (2013): „Fruit consumption and risk of type 2 diabetes.“ BMJ

(2) Ruiz-Ruiz et al. (2017): „Antidiabetic and antioxidant activity of Stevia rebaudiana.“ Journal of Ethnopharmacology

(3) Regnat et al. (2018): „Erythritol as sweetener.“ Critical Reviews in Food Science

(4) Söderling et al. (2016): „Xylitol and dental health.“ European Journal of Dentistry

(5) Deutsche Diabetes Gesellschaft (2023): „Ernährungsempfehlungen bei Diabetes“

(6) OptiFiT-Studie, Deutsches Institut für Ernährungsforschung

(7) Salas-Salvadó et al. (2014): „Mediterranean diet and diabetes prevention.“ Diabetes Care