Am 21. Januar kam die neue Brigitte wir heraus darin gibt es eine Fotostrecke mit meiner Mutter, meiner Tochter und mir. Es schaut so aus, dass meine Mutter in ihrem betagten Alter (sie wurde gerade 85 Jahre alt) noch mal zum Best Ager Model geworden ist. Fotografiert hat uns Jan Rickers und das Ganze Styling kam von Creative Allrounder Bärbel Recktenwald. Unsere Haare und unser Make-Up lagen in den Händen von Eva Hennings.

Das war ein total schöner Tag, aber als ich zunächst meiner Mutter von der Anfrage erzählte, da meinte sie, dass so etwas nichts für sie sei. Nordish by nature hält man sich mit so einer Art Selbstdarstellung zurück. Hm, meine Mutter ist im Sternzeichen Steinbock. Ich versuchte es bei meiner Tochter, aber die war zu dem Zeitpunkt  mit Hochzeit und Ausbildung beschäftigt und klang jetzt auch nicht begeistert. Als zurückhaltende Norddeutsche, die einen großen Teil ihres Lebens auf ihren Mann, uns Kinder und die 13 Enkelkinder ausgerichtet hatte und als angehende Kinder- und Jugendpsychotherapeutin hat man einfach andere Prioritäten. Überzeugen konnte ich sie dann damit, dass wir gemeinsam einen ganz schönen Tag verbringen würden.

Und so kam es dann auch: wir hatten zusammen ganz viel Spaß und Bärbel, Jan und Eva hatten eine so angenehme Atmosphäre geschaffen, dass wir vergaßen, dass die ganz Zeit eine Kamera auf uns gerichtet war. 

Danke für diesen tollen Tag and das Produktionsteam und die Redakteurinnen der Brigitte wir. Weiter unten findest du noch ein paar Behind-the Scenes Fotos.

Ich erzählte meiner Freundin Anna davon und am nächsten Tag schickte sie mir diese Nachricht:

 

Liebe Susanne, heute bin ich schlaflos und hab das geschrieben. Ich weiß noch nicht, was ich damit tue. Aber es steckte in mir drin, musste geschrieben werden. Und mit Dir geteilt werden. Ich hoffe, Du schläfst gut! Ich jetzt auch.

 

#Großmutterherz

Meine Freundin Susanne hat es geschafft, dass das Titelbild der neuen Brigitte WIR in diesem Monat erstmals ein Gruppenbild zeigen wird, von ihr, ihrer 85-jährigen Mutter und ihrer Tochter Anna.

 

Das ist toll. Es hat mich sehr gerührt, schon deshalb weil es meinem eigenen inneren Wunsch folgt, der Generation unserer Mütter Sichtbarkeit zu verschaffen. Diese Generation unserer Mütter, die als Kinder noch den Krieg erlebt haben, teilweise Flucht und Vertreibung, und vieles mehr. 

 

Sie hatten als Frauen ihrer Zeit geringe Freiheitsgrade und größtenteils wenig Möglichkeiten. Was ich allerdings als junges Mädchen, als Jugendliche noch besonders in Erinnerung habe, ist ihr fester Wille, uns eine bessere Zukunft zu bereiten. Mit dem festen Vorsatz an ihre Kinder, insbesondere an ihre Töchter „Ihr sollt es mal besser haben“ haben sie eigene weitere Entbehrungen hingenommen und uns Mädchen ermutigt, mindestens einen Beruf zu erlernen.

 

„Steht auf eigenen Füßen“

 war ein Rat, den ich nicht nur von meiner eigenen Mutter sondern von vielen Müttern der Freundinnen in den 80er Jahren immer wieder hörte. Sie waren die Wegbereiter dafür, dass die Selbstbestimmtheit in meiner Generation wachsen konnte. Viele von uns besuchten das Gymnasium – jedenfalls viel viel mehr als in der Generation unserer Mütter – machten ein anständiges Abitur, haben vielleicht studiert, haben einen Beruf erlernt oder ausgeübt, ihren „Mann“ gestanden und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mitgeprägt. 

Es sollte kein Entweder-oder mehr geben müssen. Auch wenn es bis heute noch strukturelle Diskriminierung und Schlechterstellung von Frauen allgemein und Müttern im Besonderen gibt, diese unsere Mütter habe eine Bewegung in Gang gesetzt, ohne sich dessen gewahr zu sein. 

Von genau diesen Müttern, in deren Köpfen das Wort Selbstverwirklichung die Bewusstseinsschranke noch nicht überschritten hatte, gibt es noch immer tausende in diesem unseren Land. Sie standen und stehen nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit, hatten kein großes Leben, sondern ihr kleines Leben, von dem sie kein Aufhebens machten. Heute sind sie alt, viele haben mit Einschränkungen zu leben, sei es gesundheitlich oder finanziell. Und doch leisten sie immer noch enorme Beiträge als (Ur-)großmütter, schauen auf uns, auf ihre Enkel*innen und wollen immer noch das Gleiche, nämlich, dass es all den ihren oder vielleicht sogar allen gut gehen möge. Diesen Frauen gilt meine Aufmerksamkeit, meine Anerkennung und mein Dank!

Annas Mutter und Tante

Bei all den Social Media Wellen, die es gibt, kaum einer greift ihre Lebensleistung auf. Bei all dem multimedialen Hype – die Nachkriegsmütter treten bisher kaum auf den Plan eben weil sie sich selbst zurückstellten zum Wohle der Ihrigen. Das will ich ändern. Unser Land hat es verdient, Ihnen allen eine Stimme zu geben und viele Gesichter. Und deshalb fange ich an mit meiner eigenen Mutter, die 87 Jahre ist, alleine lebt und gut zurecht kommt, die inzwischen auf whatsapp aktiv ist und gerne noch mit ihrer Freundin Hannelore Reisen unternimmt. Sie liebt es mit ihrem Enkel essen zu gehen, gut und deftig. Sie war eines von 6 Geschwistern, ist auf einem Bauernhof groß geworden, hat die Hauswirtschaftsschule besucht, wäre aber gerne Friseurin geworden, hat drei eigene Kinder bekommen, wurde mithelfende Familienangehörige im Milchgeschäft meines Vaters und später noch Verkäuferin in einem Obst- und Gemüsegeschäft. Sie hat schwere Arthrose ertragen und sich einigen Operationen unterziehen müssen. Bis sie 50 Jahre alt war, hatte sie sich dem Willen und den Vorstellungen, letztlich dem Diktat, des Schwiegervaters zu unterziehen. Ihr und all den anderen Müttern ihrer Generation gilt meine Anerkennung, mein Dank. Ich würde mir wünschen, dass es eine Welle um sie gibt. Dass sie einmal nach ganz nach oben gespült werden. Dass ihr Tun als Ganzes aus dem allgemeinen Grundrauschen sich abhebt. Und wenn es nur für einen Tag wäre. Warum nicht auf den Social Media Kanälen, warum nicht auf Instagram unter #Großmutterherz?

 

Sie alle hätten es wirklich verdient!

Anna Gerits

Anna ist Mutter von zwei erwachsenen Söhnen. Sie lebt und arbeitet in Bonn und Berlin.

BEHIND THE SCENES